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27. Juli 2024
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Finnland ist das einzige Land in Europa, in dem die Obdachlosigkeit zurückgeht

Finnland ist das einzige Land in Europa, in dem die Obdachlosigkeit zurückgeht

Im Jahr 2008 konnte man in den Parks von Helsinki Zeltdörfer und Hütten zwischen Bäumen sehen. Mitten in der finnischen Hauptstadt hatten Obdachlose Behelfsunterkünfte gebaut. Sie waren rauen Wetterbedingungen ausgesetzt.

Seit den 1980er Jahren versuchten die finnischen Regierungen, die Obdachlosigkeit zu reduzieren. Es wurden Kurzzeitunterkünfte gebaut. Langzeitobdachlose blieben jedoch weiterhin außen vor. Es gab zu wenige Notunterkünfte und viele Betroffene schafften es nicht, aus der Obdachlosigkeit herauszukommen: Sie konnten keine Arbeit finden – ohne Wohnadresse. Und ohne Arbeit konnten sie keine Wohnung finden. Es war ein Teufelskreis. Darüber hinaus hatten sie Probleme bei der Beantragung von Sozialleistungen. Alles in allem befanden sich Obdachlose in der Falle.

Doch 2008 führte die finnische Regierung eine neue Politik für Obdachlose ein: Sie begann mit der Umsetzung des „Housing First“-Konzepts. Seitdem ist die Zahl der Betroffenen stark zurückgegangen.

Finnland hat sich ein Ziel gesetzt: Niemand soll auf der Straße leben müssen – jeder Bürger soll einen Wohnsitz haben.

Und das Land hat Erfolg: Es ist das einzige EU-Land, in dem die Zahl der Obdachlosen zurückgeht.

Wohnen zuerst: Wie jeder in Finnland eine Wohnung erhält

Es sind NGOs wie die „Y-Foundation“, die Wohnraum für Menschen in Not bereitstellen. Sie kümmern sich selbst um den Bau, kaufen Wohnungen auf dem privaten Wohnungsmarkt und sanieren bestehende Wohnungen. Die Wohnungen verfügen über ein bis zwei Zimmer. Darüber hinaus wurden ehemalige Notunterkünfte in Wohnungen umgewandelt, um langfristigen Wohnraum zu bieten.

„Jedem war klar, dass das alte System nicht funktionierte;Wir brauchten radikale Veränderungen“, sagt Juha Kaakinen, Direktor der Y-Foundation.

Obdachlose werden mit einem Mietvertrag zu Mietern. Außerdem müssen sie Miete und Betriebskosten bezahlen. Sozialarbeiter, die in den Wohngebäuden Büros haben, helfen bei finanziellen Fragen wie etwa der Beantragung von Sozialleistungen.

Juha Kaakinen ist Leiter der Y-Foundation. Die NGO erhält vom Staat vergünstigte Kredite für den Wohnungskauf. Darüber hinaus werden Sozialarbeiter, die sich um Obdachlose und künftige Mieter kümmern, vom Staat bezahlt. Die finnische Lotterie hingegen unterstützt die NGO beim Kauf von Wohnungen auf dem privaten Wohnungsmarkt. Darüber hinaus erhält die Y-Foundation regelmäßig Kredite von Banken. Die Mieteinnahmen nutzt die NGO später zur Rückzahlung der Kredite.

„Wir mussten die Notunterkünfte und Kurzzeitunterkünfte, die es damals noch gab, abschaffen.Sie haben in Finnland eine sehr lange Geschichte und jeder konnte erkennen, dass sie den Menschen nicht aus der Obdachlosigkeit befreien konnten.Wir haben beschlossen, die Annahmen umzukehren.“(Juha Kaakinen, Direktor der Y-Foundation)

So funktioniert das „Housing First“-Konzept

Die in Finnland angewandte Richtlinie heißt „HousingFirst“. Es stellt eine Umkehrung der herkömmlichen Obdachlosenhilfe dar. Häufiger wird von den Betroffenen erwartet, dass sie sich einen Job suchen und sich von ihren psychischen Problemen oder Suchtproblemen befreien. Erst dann bekommen sie Hilfe bei der Wohnungssuche.

„Housing First“ hingegen kehrt den Weg um: Obdachlose bekommen eine Wohnung – ohne jegliche Voraussetzungen. Sozialarbeiter unterstützen sie bei der Beantragung von Sozialleistungen und stehen allgemein für Beratungen zur Verfügung. In einer solchen neuen, sicheren Situation fällt es den Betroffenen leichter, einen Arbeitsplatz zu finden und sich um ihre körperliche und geistige Gesundheit zu kümmern.

Das Ergebnis kann sich sehen lassen: 4 von 5 Obdachlosen können mit „Housing First“ ihre Wohnung langfristig behalten und ein stabileres Leben führen.

In den letzten 10 Jahren stellte das Programm „Housing First“ 4.600 Wohnungen in Finnland zur Verfügung. Während im Jahr 2017 noch etwa 1.900 Menschen auf der Straße lebten, konnte das Programm diese Zahl bis 2019 auf unter 1.000 Langzeitobdachlose reduzieren – allerdings gab es für sie genügend Plätze in Notunterkünften, sodass sie zumindest keinen hatten nicht mehr draußen schlafen.

Den Menschen Wohnungen zur Verfügung zu stellen, ist billiger, als sie auf der Straße stehen zu lassen

Wohnraum für Menschen zu schaffen, kostet Geld. In den vergangenen zehn Jahren wurden im Rahmen des Programms „Housing First“ 270 Millionen Euro für den Bau, den Kauf und die Sanierung von Wohnraum ausgegeben. Juha Kaakinen weist jedoch darauf hin, dass dies weitaus weniger ist als die Kosten der Obdachlosigkeit selbst. Denn wenn Menschen in Notsituationen geraten, kommt es häufiger zu Notfällen: Übergriffe, Verletzungen, Pannen. Immer häufiger werden Polizei, Gesundheitswesen und Justiz zum Eingreifen aufgefordert – und auch das kostet Geld.
Im Vergleich dazu ist „Housing First“ günstiger als die Aufnahme von Obdachlosigkeit: Jetzt gibt der Staat 15.000 Euro weniger pro Jahr und Obdachlosen aus als zuvor.

Kein Wundermittel – aber eine hohe Erfolgsquote

Da 4 von 5 Menschen ihre Wohnung behalten, ist „Housing First“ langfristig wirksam. In 20 Prozent der Fälle ziehen Menschen aus, weil sie lieber bei Freunden oder Verwandten wohnen möchten – oder weil sie die Miete nicht bezahlen können. Aber auch in diesem Fall werden sie nicht fallen gelassen. Sie können sich erneut um eine Wohnung bewerben und werden auf Wunsch erneut gefördert.

Eine Erfolgsgarantie gibt es natürlich nicht. Vor allem obdachlose Frauen sind schwerer zu erreichen: Sie verheimlichen ihre Notsituation häufiger: Sie leben seltener auf der Straße und bleiben lieber bei Freunden oder Bekannten.

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